Kolloquium der School of Philosophy zur Ethik des Baruch de Spinoza

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Kolloquium der School of Philosophy zur Ethik des Baruch de Spinoza  -

Wäre es nicht der Erhabenheit der Schöpfung angemessen, zu einem Leben zu gelangen, das der Wahrheit des Wirklichen folgt, nicht der Deutung derer, die sich als Autoritäten aufführen und die so tun, als hätten sie durchschaut, was undurchschaubar ist? Und wäre es demnach nicht epochal, die dunkle Nacht der Unwissenheit endlich zu überwinden, Bürger dieser Welt zu sein, nicht Fremde, die andere nach dem Weg zu fragen hätten, wollten sie ihr Ziel nicht verfehlen? Beseelt von dieser Idee der Selbstbestimmung sucht Spinoza die Hintergrundvoraussetzungen aufzudecken, derer es bedarf, um sie für eine Menschheit fruchtbar zu machen, die über die längste Strecke, einer Marionette gleich, am Gängelband der All-Mächtigen hängt. Und so liefert er uns in Metaphysik und Erkenntnistheorie das philosophische Fundament der Freiheit: Ein transparenter Gott, der nichts von dem, was er tut, unterlassen kann, eine darauf aufruhende transparente Schöpfung, in der es mit rechten, nämlich natur-gesetzlich determinierten Dingen zugeht und ein erkennender Geist, in dem sich die Welt a priori – unabhängig von den Zerrbildern der Wahrnehmung – spiegelt. Doch als von Gott zum Leben bestimmte Wesen sind wir nicht nur geistige, sondern auch körperliche Wesen, die sich, in die Gesamtheit der Natur eingebettet, mit einer äußeren Welt konfrontiert sehen, die sie zu zerstören droht. Davon affiziert verheddern wir uns in einem Netz aus Affekten oder besser gesagt, aus Leidenschaften, gewoben von der Macht zum Dasein, diesem gewaltigen Streben, das eigene Sein auf eine unbestimmte Zeit hin aufrechtzuerhalten. Gleich den Gefangenen in Platons Höhle halten wir das Falsche für das Wahre und das Schlechte für das Gute, sind wir nicht Herren unserer selbst, sondern Getriebene, die keine Ruhe finden. Ein tragisches Schicksal, könnte man meinen, obgleich nicht ohne Ausweg, denn was uns bleibt, um dem Wechselspiel aus unstillbaren Begierden, törichten Freuden und zerstörerischer Trauer zu entkommen und uns aus der Knechtschaft nicht nur der Affekte zu befreien, ist der Weg der Vernunft. Sich ihrer zu bedienen, sich von ihr leiten zu lassen, das heißt vom Unwissenden zum Weisen zu werden, zu einem Menschen, der über nichts weniger als über wahre Erkenntnis verfügt. Ein solcher Mensch, der sich selbst, die äußere Welt und Gott einzusehen vermag, sub specie aeternitatis, ist in jeglicher Hinsicht frei und in höchstem Maße zufrieden, und nur er führt ein Leben, das man ein gelingendes, d. i. ein glückseliges nennen kann.

Und wir, die wir uns mit diesem epochalen philosophischen Vermächtnis der Neuzeit beschäftigt und abgemüht haben? Gäbe es noch etwas zu tun, wollten wir die Ethik Spinozas auf einen einzigen – aufklärerischen – Imperativ bringen, unsere Quintessenz auf einen letzten Satz zusammenführen, so könnten wir, wohl ohne den Tadel dieses großen Philosophen fürchten zu müssen, den römischen Dichter Quintus Horatius Flaccus auftreten und ihn lauthals rufen lassen: Sapere aude! Wage es, weise zu sein!


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